Urlaub, das heißt für mich Ferienwohnung. Häufig bringt diese Entscheidung jedoch eine wenig erholsame Auseinandersetzung mit aussortierten und unpraktisch im Raum verteilten Möbelstücken mit sich. Auch die Suche nach Neuentdeckungen im obligatorischen Bücher- und Spieleregal verläuft meist erfolglos: „Papillon“ von Henri Charrière hätte ich inzwischen längst auswendig lernen können. Mein Lösungsvorschlag: die „Instandurlauber“!
Die „Instandurlauber“: Schöner wohnen im Feriendomizil
Daniel und Hakan fahren gern in den Urlaub. Als Tischlermeister und Innenausstatter haben die beiden Freunde außerdem einen Blick für stimmige und solide Wohnungseinrichtungen. Klar, dass sie den auch in ihren Ferienunterkünften nicht einfach abschalten können. Statt sich angesichts Gelsenkirchener Barockschrankwänden in Kombination mit 70er-Jahre-Tapeten die Urlaubsstimmung ästhetisch vermiesen zu lassen, haben die beiden eine Geschäftsidee entwickelt und „Work & Travel“ für sich ganz neu interpretiert.
Ihr nennt euch „Instandurlauber“…
Hakan: … also „instand“ mit d und nicht „instant“ mit t. Das wird immer wieder falsch geschrieben
Daniel: … und führt dann zu verwirrten Nachfragen auf unserer facebook-Seite.
Verstanden. Trotzdem die obligatorische Einstiegsfrage: Was ist ein „Instandurlauber“? Also ganz ausdrücklich mit d.
Daniel: Danke schonmal dafür.
Hakan: Wir haben uns als Teenies ein paar Jahre in der Hausbesetzerszene rumgetrieben. Auf einem Transpi von damals stand „Wir sind die `Instandbesetzer`. Ohne uns fällt euch das Dach auf den Kopf.“
Daniel: … und das war kein Spruch: Wir hatten in dem Haus kurz vorher ein paar morsche Dachbalken ausgetauscht. Übrigens: Das Haus steht noch und das, obwohl es schon vor 20 Jahren abgerissen werden sollte. Inzwischen ist es geräumt und wurde professionell saniert, aber ohne die „Instandbesetzer“ von damals stünde da jetzt sicher eines dieser heute modernen quadratisch-praktisch-gut-Gebäude in langweiliger Backsteinoptik.
Und jetzt besetzt und saniert ihr baufällige Urlaubsunterkünfte?
Daniel (lacht): Nee. Inzwischen sind wir in Bezug auf unsere Unterkünfte deutlich verwöhnter und anspruchsvoller geworden.
Hakan: Damals ging es um Revolution, Abenteuer, billigen Wohnraum und endlich weg von den Eltern. Da hat es uns auch nicht gestört, wenn es statt fließendem Wasser in einem warmen Badezimmer nur einen Brunnen und eine selbst gezimmerte Stellwand im Garten gab. Heute geht es um Design und Funktionalität, um Gemütlichkeit und Komfort – ums Wohn-Wohlgefühl, nicht nur zuhause, auch im Urlaub.
Daniel: … und das alles ganz legal und auf Auftrag unserer Kunden. Wir sind also ganz schön spießig geworden, wenn du so willst.
Jetzt mal Tacheles: Was macht ihr?
Daniel (schmunzelt und doziert mit erhobenem Zeigefinger): Wir verwandeln langweilige, unbequeme, unpraktische Ferienunterkünfte in Entspannungsorte.
Hakan: Das ist ein Spruch, den uns eine PR-Agentur in unseren ersten Flyer getextet hat. Wir haben ihn stehen lassen. Passt ja auch. Also. Wie läuft das Ganze ab? Wenn wir an einem neuen Urlaubsarbeitsort ankommen, starten wir unseren Einsatz mit einem Funktionstesttag: Ist die Küche so aufgebaut, dass ich hier morgens auch im Halbschlaf mit ein paar Handgriffen zu meinem doppelten Espresso komme? Ist das Lichtkonzept im Bad so umgesetzt, dass ich mich im Spiegel sehen mag? Hat der Esstisch die richtige Höhe? Wo in diesem Raum möchte ich mich abends mit meinem neuen Krimi hinsetzen?
Daniel: Wenn wir dabei feststellen, dass der Platz für die Kaffeebohnen am einen und die Espressomaschine am anderen Ende der Küche ist, rettet auch der Porsche unter den Kaffeevollautomaten unseren Tagesstart nicht mehr. Wenn ich dann noch im Badezimmerspiegel jemand Fremdem mit fahler Haut entgegenblicke, versuchen muss, mein Mittagsmenu auf den Knien an einem niedrigen Wohnzimmertisch unfallfrei in meinen Mund zu manövrieren und mit einem Glas Wein in der Sofaritze ertrinke, ist der Urlaub doch echt gelaufen, bevor er angefangen hat.
Okay. Wir halten fest: Teil eins eures Job ist es, nicht in der Sofaritze zu versinken.
Hakan: Also um es auf den Punkt zu bringen: Wir kommen, gucken uns die Unterkunft an, überprüfen die Funktionalität und halten die Ergebnisse in einer Liste fest. Die gehen wir dann zusammen durch und überlegen Lösungen. Manchmal reicht es, Möbel umzustellen oder eine Glühbirne auszutauschen; manchmal entwerfen wir aber auch ein ganz anderes Möbelstück oder überlegen, welche Farbe die Gardinen haben müssten.
Daniel: Bis hierher passiert das alles noch auf Papier und in unseren Köpfen. Danach überlegen wir uns ein ästhetisches Konzept, also, welcher Stil zu der Wohnung oder dem Zimmer und dem ganzen Haus passt. Erst dann packen wir unser Werkzeug aus und schreiben Einkaufslisten. Nach unserem „Arbeitsurlaub“ hinterlassen wir dem Kunden eine voll funktionsfähig und stilsicher eingerichtete Unterkunft.
„Auf Kundenauftrag“ – das Stichwort will ich noch einmal aufnehmen. Was habt ihr für Kunden?
Hakan: Inzwischen hauptsächlich Betreiber von großen Hotels oder Freizeitanlagen. Die nehmen unsere Arbeitsergebnisse gern als „Einrichtungsanleitung“ für eine Neuausrichtung oder einfach nur als Upgrade der Wohnungen.
Daniel: Wir werden aber auch immer wieder von Privatpersonen angesprochen, die nur ein oder zwei Ferienwohnungen vermieten und damit Werbung machen wollen, dass wir sie „aufgepeppt“ haben. Urlaub bei Hakan und Daniel im Wohnzimmer sozusagen…
Apropos Daniels und Hakans Wohnzimmer: Auf eurer Internetseite steht statt einer festen Adresse ein Autokennzeichen. Ist das ein Scherz?
Daniel: Nein, absolut nicht. Unser Geschäft läuft super, was eben auch heißt, dass wir meist im Urlaub sind. Vor einem Jahr haben wir dann festgestellt, dass es sich nicht lohnt, unsere WG aufrecht zu halten, wenn wir eh kaum noch da sind.
Hakan: Wir haben uns einen VW-Bus gekauft, umgebaut und dazu einen Anhänger mit unserem Werkzeug…
Daniel (grinst): … natürlich alles ganz praktisch und stilsicher eingerichtet.
Hakan: Damit sind wir unterwegs und da schlafen und wohnen wir, wenn wir unsere Urlaubswohnungen – natürlich nur vorübergehend – in chaotische und ungemütliche Baustellen verwandelt haben. Erreichen kann man uns ja immer per Mail.
Geben die Kunden von Anfang an einen Stil für die Umgestaltungen vor?
Hakan: Nein. Fester Teil unserer Geschäftsidee ist es, dass wir absolute handwerkliche und stilistische Freiheit haben.
Daniel: Manche versuchen natürlich, uns die Richtung vorzugeben. Wenn es passt: Ok, aber am Ende entscheiden wir. Klar, dass das auch mal nicht gefällt.
Hakan: Für solche Fälle haben wir eine Versicherung: Wenn ein Kunde absolut nicht einverstanden ist mit dem Ergebnis, verpflichten wir uns, den Originalzustand wieder herzustellen. Das ist aber bisher erst einmal passiert.
Die Abschlussfrage: Wo macht ihr Urlaub?
Daniel: In unseren ehemaligen „Dienstwohnungen“. Das ist auch Bestand unserer Verträge. Für jede von uns umgestaltete Wohnung lassen wir uns einen Gutschein für eine Woche Aufenthalt geben.
Hakan: Da kommen inzwischen richtig schöne Urlaubsorte für die nächsten 20 Jahre zusammen.
Daniel: Fehlt nur noch der Urlaub selbst. Und der ist für nächstes Jahr im August fest eingeplant – übrigens in unserer ersten umgestalteten Wohnung in Raubach.
Hakan: Mal sehen, vielleicht können wir ja hier und da noch etwas nachbessern…
„Work & Travel“ eben… danke für das Gespräch!
Bestimmt gibt es jede Menge Damiels und Hakans. Diese hier sind jedoch frei erfunden, ebenso wie Ihre Geschäftsidee – zumindest, soweit mir das bekannt ist.